Beratungslehrer in Bayern e.V.

So funktioniert Beratung nicht

Vor einigen Tagen erschien in der „Die bayerische Schule“, der Zeitschrift des BLLV ein Beitrag des von uns sehr geschätzten Markus Schäffner, den wir hier veröffentlichen, weil er vieles auf den Punkt bringt, was unseren Kollegen und Kolleginnen aus dem Grund- und Mittelschulbereich auf den Nägeln brennt. Ein weiterer Beitrag von Markus Schäffner aus der „Oberbayerischen Schulzeitung“ über das Treffen von den bib- und BLLV-Vorständen ist am Ende des zitierten Artikels als PDF aufrufbar.

„Eltern beim Übertrittsverfahren eine weitere Beratungsmöglichkeit anzubieten – an diesem Gedanken ist nichts auszusetzen. Doch der Übertritt ist ein sensibles Thema, da sollten Neuerungen ordentlich durchdacht, vorbereitet, eingeführt und begleitet werden. Bei den neuen Maßnahmen für mehr „Transparenz“ beim Übertritt ist dem nicht der Fall. Das zeigt exemplarisch die Tatsache, dass ein nachgereichtes Schreiben der „Konferenz der Schulaufsicht in Oberbayern“ in einigen Punkten dem Kultusministeriellen Schreiben zur „Weiterentwicklung des Übertrittsverfahrens“ vom 18. Juli 2019. widerspricht.

Eines der Hauptprobleme ist der „Anmeldebogen“ für die Eltern, den das KM allen Grundschulen zusandte. Auf diesem Bogen sollen die Erziehungsberechtigten diejenige Schulart ankreuzen, zu der sie Beratungsbedarf haben. Nun wollen Eltern in der Übertrittsituation natürlich keinen Fehler machen und gut beraten sein, deshalb kreuzen sie oftmals mehrere, wenn nicht gleich alle Schularten an – ohne zu ahnen, welche Kaskade von Verwaltungsakten damit ausgelöst wird.

Klassenleiter der Grundschule müssen den Anmeldebogen vorab auf Klassensatz kopieren, den Schülern mitgeben und wieder einsammeln. Schulleitung und Verwaltung müssen nun ihrerseits alle Anträge sammeln, kopieren, die Originale abheften und die Kopien an die jeweiligen weiterführenden Schulen verschicken. Dort wiederum werden die Anträge von allen zuständigen Grundschulen gesammelt, Originale werden kopiert und abgeheftet, die Kopien werden an die zuständigen Beratungslehrkräfte weitergeleitet.

Nun aber beginnt der Spaß erst: Die Beratungslehrer müssen nach Auswertung des Anmeldebogens alle Eltern anrufen, die Beratung wünschen. Bei diesem Telefonat ist zu klären, wie, wo und wann eine Beratung zum Übertritt stattfinden soll. Das bedeutet auch Stress für die Eltern: Sie werden teilweise von vier Beratungslehrern von vier verschiedenen Schularten angerufen, um Termine zu vereinbaren: mal an der Grundschule, mal an der weiterführenden Schule, mal ohne, mal mit Klassenleiter, mal in der Gruppe, mal alleine.

Die Beratungslehrkräfte versuchen nun vormittags in ihren Sprechzeiten oder nachmittags nach Unterrichtsende oder dann abends von zuhause aus, natürlich vom Privatanschluss, alle Eltern zu erreichen, koordinieren dann die Beratungsgespräche, organisieren Räume in ihrer oder an der anfragenden oder einer zentral gelegenen Grundschule, kümmern sich um sicheren Zugang zu den entsprechenden Schulgebäuden und laden bei Bedarf den jeweiligen Klassenlehrer ein.

Diese Umkehrung des Beratungsgedankens erzeugt ein bürokratisches Monster für Beratungslehrer, Schulleitungen und Schulverwaltung und eine zusätzliche Belastung der Klassenlehrkräfte der Grundschule. Sie steigert die Verwirrung und Verunsicherung der Eltern. Und: Sie widerspricht jedem Verständnis von professioneller Beratungstätigkeit.

Das Kuriose: Jeder Grundschule ist bereits ein Beratungslehrer aus dem Grund- und Mittelschulbereich zugeordnet, der in seiner Aufgabenbeschreibung auch die Übertrittsberatung an der Grundschule für alle Schularten durchführt. Dieser ist explizit dafür aus- und weitergebildet. Zu all dem Durcheinander kommt noch das Problem der Ungerechtigkeit: Die Kolleginnen und Kollegen aus Realschule und Gymnasium erhalten für die zusätzliche Beratungstätigkeit eine Anrechnungsstunde, die aus der Mittelschule nicht.

Bleibt die Bitte an die Verantwortlichen im Kultusministerium: Wenn Chaos und massive Verärgerung bzw. Verunsicherung auf allen Seiten vermeiden werden soll, lohnt es sich darüber nachzudenken, bei solchen Entscheidungen Experten wie Schulberatungsstellen, Beratungsrektoren oder Verbänden mit einzubeziehen!“

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