Lebensfreude nach der Pandemie

Folgende Mail, die wir weitergeben dürfen, erhielten wir von Frau Edith Wölfl

Sehr geehrte Damen und Herren,

 
Für die Zurückgewinnung von Lebensfreude unserer Kinder und Jugendlichen in den Schulen, der Basis für gelingendes Lernen, habe ich ein Konzept erarbeitet. 
Es ergänzt  und akzentuiert „Gemeinsam-brücken-bauen“, das Konzept des KM. 
Ich habe dieses Konzept im Landtag Frau Staatssekretärin Stolz, Frau Staatsministerin Trautner, Herrn MdL Thomas Huber (Familien) und Herrn MdL Dünkel (Förderschulen und Inklusion) vorgestellt, außerdem auch im Arbeitskreis Inklusion im Bayr. Landtag, an dem Vertreterinnen der Verbände und auch  die beiden ehemaligen Ministerinnen für Arbeit, Familien und Soziales Stamm und Stewens teilnehmen. Anwesend war auch u.a. Herr Mdgt Walter Gremm...
 
Hoffentlich ist er ihnen eine Hilfe.
 
Mit besten Grüßen
Edith Wölfl:

Lebensfreude nach der Pandemie
Junge Menschen in der Schule seelisch und sozial fit machen für die Zukunft
Corona vergrößert alles was gut läuft, aber auch alles was immer schon schwierig war und ist.Kinder scheitern an der Schule primär aus emotionalen und sozialen Gründen.

Eine Krise hat in der Regel die Eigenschaft, dass vieles deutlicher und klarer wird. In der
Pandemie hat sich sehr viel gezeigt, was in unserer Gesellschaft richtig gut läuft: Mitgefühl zeigen, sich solidarisch und verantwortungsbewusst verhalten. Dazu gehört auch, die eineoder andere zu schnelle oder zu langsame Entscheidung hinzunehmen ohne immerzu Vorwürfe zu machen. Und es wurde auch wenig gejammert über die Misslichkeiten des Alltags wie Masken oder Verzicht.
Aber auch die problematischen Dinge wurden deutlicher. Manche Gruppen sind viel
gefährdeter als andere, haben aber weniger Einfluss auf Entscheidungen und seelisches
Leiden wird insgesamt zu wenig gesehen und thematisiert. Auch in der Pandemie stand das Funktionieren im Vordergrund.

Dies gilt vor allem für die seelischen und sozialen Bedürfnisse von jungen Menschen. Was es für sie bedeutet, Freund:innen nicht zu sehen, nicht mit anderen zusammen zu
spielen und zu lernen, keinen Sport mehr machen zu dürfen, nicht raus zu können, sondern stattdessen auf die Kernfamilie angewiesen zu sein, die Großeltern und andere Verwandte nicht treffen oder sogar sich nicht von ihnen verabschieden zu können, das fand viel zu wenig Beachtung und spielte dadurch in der öffentlichen Debatte eine zu geringe Rolle. Die Ergebnisse von Untersuchungen sind jedoch kaum erstaunlich: gerade bei jungen Menschen sind seelische Leiden besonders häufig und gravierend als Folgen der Pandemie.
Hier ein Überblick über die Ergebnisse der Copsy-Studie (Covid-19 und seelische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland) Pressemitteilung vom 10. 2. 21):
1. Die Lebensqualität und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat sich in Deutschland im Verlauf der Pandemie verschlechtert. Fast jedes dritte Kind leidet unter psychischen Auffälligkeiten. Vor der Pandemie war es jedes fünfte.
2. Wer vor der Pandemie Strukturen erlernt hat und sich in seiner Familie wohl und gut aufgehoben fühlt, wird gut durch die Pandemie kommen. Wir brauchen aber
verlässliche Konzepte für alle Kinder, um insbesondere Kinder aus Risikofamilien zu unterstützen und ihre seelische Gesundheit zu stärken. Hier sind die Schulen gefragt, Kinder besonders zu schützen und zu stützen.
3. 80% der Kinder fühlen sich durch die Pandemie belastet. 70% gibt eine geminderte Lebensqualität an. 30% leidet unter psychischen Auffälligkeiten: Ängste, Sorgen, depressive Symptome, psychosomatische Beschwerden wie Niedergeschlagenheit, Kopf- und Bauchschmerzen. Das Gesundverhalten hat sich noch mehr verschlechtert: Die Kinder essen zu viele Süßigkeiten und ernähren sich ungesund. Sie machen sogar nur nach halb so viel Sport wie in der ersten Phase der Pandemie. Sie haben verlernt, sich in eine Gruppe oder Mannschaft einzuordnen und mit Konflikten, Siegen oder Niederlagen umzugehen.

4. Streit in den Familien hat zugenommen, das Verhältnis zu den Freund:innen hat abgenommen. Viele Eltern sind hoch belastet und zeigen depressive Symptome. Aus anderen Berichten: Die Gewalt in den Familien hat deutlich zugenommen.
5. Zukunftsangst, Stress und Kontrollverlust behindern das Lernen in hohem Maße. Deshalb scheitern Fördermaßnahmen und Nachhilfen, die nur auf Leistungsaufholung setzen.

Im Lockdown wurde deutlich, dass die Schule vor allem ein Sozialraum ist, in dem das Miteinander, die Beziehungen im Vordergrund sind. Sie ist der hauptsächliche Treffpunkt für Freundinnen und Freunde und bei den Älteren der Peergroup. Fehlt dieser Kontext, dann verringert sich der Antrieb zum Lernen bei den meisten Schülerinnen und Schülern. Wird das Lernen aus dem sozialen Kontext genommen und fallen die sozialen Aspekte weg, verschwindet gleichzeitig auch die Lernfreude. Der Ausgleich der Schule als Lebensraum, der auch das Familienleben entlastet, strukturiert und stützt, fehlt besonders schmerzhaft den jungen Menschen, die ohnehin in einem überforderten Familiensystem aufwachsen. Dadurch geht die soziale Schere zwischen den Kindern, die den Lernerfolg auch bestimmt, noch weiter auseinander. Armut ist dabei nicht nur ein wichtiger Aspekt, was die technische Ausstattung einer Familie betrifft, sondern sie wirkt sich auch die Wohnverhältnisse aus und nicht zuletzt auf die körperliche und seelische Gesundheit.
Junge Menschen brauchen für ihre Entwicklung ein Gegenüber und die Gruppe als Spiegelung. Reale Personen, die mit Mimik, Gestik, Stimme und Körpersprache Zuwendung geben oder Kritik ausdrücken, sind nicht zu ersetzen durch Digitalisierung und Distanzunterricht, bei dem sogar Kinder und Jugendliche ermüden, die eigentlich schulisch gut motiviert sind.
Der Copsy-Studie ist zu entnehmen, dass nun 80 % der jungen Menschen sich psychisch belastet fühlt. In den Zeiten vor der Pandemie waren es immerhin 80 %, die sich als unbelastet fühlen, was die Kiggs-Studien immer wieder bestätigt haben. Wenn nun auch die jungen Menschen, die psychisch und sozial stabil sind, sich als belastet bezeichnen, dann bedeutet dies auch, dass sie, wenn der Unterricht wieder in Präsenz zustande kommt, zunächst weniger gut die Klasse als Gemeinschaft stabilisieren. Damit sind sie auch für die Kinder und Jugendlichen, die sonst von ihrer Resilienz profitieren, weniger Hilfe. Allerdings ist zu vermuten, dass gerade die Resilienz dieser Gruppe dazu beiträgt, dass sie sich schnell von der Krise erholen wird und wahrscheinlich sogar psychisch gestärkt daraus hervorgeht.
Für die schon vor der Krise psychisch oder sozial instabile Gruppe hat sich jedoch die Situation verschärft und verschlechtert. So hat sich beispielweise der Bedarf an Medikationvon Patientinnen und Patienten mit ADHS erhöht, weil die Familien überlastet warennachdem die Schule als Betreuungsort entfiel. Deutlich wird dabei, wie wichtig der außerfamiliäre Lebensraum für eine psychische Erkrankung ist. Dazu kommen noch Gefährdungen des Kindeswohls und Vernachlässigung wie etwa durch eine gesundheitliche Mangelversorgung. Auch dabei haben die außerfamiliären Angebote wie Sport und Freizeitgestaltung eine jetzt gerade sehr deutlich gewordene Aufgabe, Defizite
auszugleichen.
Auch wenn es im Interesse der Schülerinnen und Schüler ist, Lernlücken zu schließen und versäumten Stoff wieder aufzuholen, haben die seelischen und sozialen Bedürfnisse nach der Pandemie erst einmal Vorrang. Erst wenn wieder Freundschaften und in der Gruppe oder Klasse wieder Gemeinschaft erlebt werden, können sich die jungen Menschen von den seelischen und sozialen Belastungen allmählich erholen und wieder Energie für Leistung aufbringen. Um wieder Lebensfreude zu erlangen spielt also Schule eine entscheidende Rolle und diese Aufgabe wird dazu beitragen, ihre Qualität insgesamt zu verbessern. Gefühle von Hilflosigkeit und Verlust von Selbstwirksamkeit, Ziel- und Sinnlosigkeit, Wertlosigkeit und auch Trauer darüber müssen erst im Vordergrund stehen und in der Gemeinschaft Raum haben. Manche Kinder haben auch tatsächlich Familienmitglieder verloren oder waren mit einer schweren Erkrankung von Eltern oder auch Geschwistern konfrontiert. Auch diese Erfahrungen verlangen nach einem angemessenen Ausdruck in der Gemeinschaft.

Daraus ergeben sich für die nun wieder sich normalisierende Schule folgende Ziele:
Durch Lebensfreude wieder Kraft zum Lernen bekommen

Nach der langen Phase der Kontaktbehinderung, des eingesperrt Seins und von Beziehungsunterbrechungen ist das wichtigste Ziel, dass die jungen Menschen wieder Energie für dasLernen erlangen, sich wieder selbstwirksam erleben und Zuversicht in die Zukunft zurück bekommen. Im Mittelpunkt steht dabei zunächst das Schulleben und was es dazu beiträgt, die Lebensfreude der jungen Menschen zu so zu stärken, dass sie wieder Lust auf Lernen bekommen.
In der Schule geht es erst einmal um drei Ziele:
1. Durch die Schule soll sich die Resilienz aller Kinder wieder erhöhen. Resilienz ist die Widerstandsfähigkeit, die Menschen haben, die sie an Krisen und Herausforderungen wachsen lässt und die verhindert, langfristig Schaden zu nehmen.
2. Die Schule als Lebensraum von Erwachsenen und Kindern soll alle emotional und
sozial auffangen. Es hat sich gezeigt, dass die Lernfähigkeit von jungen Menschen vor allem von dem mangelnden sozialen Kontakt beeinträchtig ist und sie sich dann nicht mehr ausreichend zugehörig fühlen zu anderen Kindern und Jugendlichen.
3. Gerade im Hinblick auf die Probleme/Defizite der familiären und sozialen Milieus soll die Schule die jungen Menschen stärken und ihnen Halt bieten.

 

Wenn die Pandemie eines deutlich gemacht hat, dann die Wichtigkeit der schulischen und außerschulischen Versorgung von jungen Menschen außerhalb ihrer Familien. Wenn diese Säule der Sicherheit und Förderung wegbricht, sind sie in hohem Maße gefährdet.

Die Schule bietet den sicheren Rahmen und die Verlässlichkeit, die es möglich machen, sich selbstwirksam zu erleben, Vertrauen in die Gestaltung der eigenen Zukunft zu entwickeln und somit nachhaltig zu lernen.

Durch Corona entsteht die Chance, die Schule gerade im Hinblick auf die emotionale und soziale Förderung anhaltend zu verbessern und eine förderliche Schulkultur zu entwickeln.
Dazu benötigen die jungen Menschen:
 Feste und verlässliche Bindungs- und Beziehungsstrukturen sowohl durch die Erwachsenen als auch die Klasse, verlässliche und vorhersehbare Abläufe und vorläufig wenig Veränderungen geben Sicherheit und Orientierung.
 Psychische Gesundheit und die Bewältigung von Gefühlen wie Trauer, Hilflosigkeit und Verlust von Zuversicht gehören in den Unterricht und sind Teil aller Fächer. Besonders geeignet sind dabei Deutsch, Religion, Musik, Kunst, aber auch indirekt von Naturwissenschaften. Manche Kinder haben tatsächlich Angehörige verloren oder erlebt, wie sie erkranken und leiden. Trennungen und Verluste müssen bewältigt werden um Kraft für Neues zu haben.
 Partizipation, also die Möglichkeit der Mitsprache und Mitgestaltung, erhöht die Selbstwirksamkeit und die Überzeugung, wieder Kontrolle über das eigene Leben zu erlangen. Freude an der Gestaltung des eigenen Lebens- und Beziehungsraums und auch Freude am eigenen Körper führen zu einer inneren Überzeugung von Stärke. Hier ist Gruppe der notwendige Resonanzraum. Dadurch entsteht die Zuversicht, die die die Basis für Lernerfolge ist.
 Körperliche Gesundheit als Wissensfach ist als Teil der Lehrpläne und Unterrichtsthemen, zum Beispiel über Ernährung, aber auch über gesunde Bewegung und Sport unerlässlich. Dabei sollen der Spaß und die Freude an der eigenen Kraft, Belastbarkeit und Geschicklichkeit im Zentrum stehen. Zugleich geht es auch um ein positives Bild des eigenen Körpers für Mädchen und Jungen.

 Das Lernen sollte möglichst planvoll und vorhersehbar, zielgerichtet und gleichzeitig mit erreichbaren Zielen erfolgen. Dazu ist eine stützende Feedbackkultur, die auch besonders die einzelnen Schülerinnen und Schüler im Blick hat, hilfreich und sinnvoll.

 Um diese Ziele zu erreichen, ist die Zusammenarbeit von allen Akteuren in der Schule, außerhalb der Schule und den Familien wichtig.

 

Handlungsaufgaben der Schulen:
1. Reflexion der Pandemie-Schuljahre: Die Situation an Schulen ist abhängig vom regionalen Standort. Schülerinnen und Schüler und ihre Familien sind unterschiedlich betroffen. Der Ist-Zustand bei den Schülerinnen und Schülern wird erhoben.

2. Nutzen des Anfangs-Flows für innovative Zielsetzungen der Schulentwicklung und Aktivitäten des Schullebens.
3. Etablieren gezielter Fördermaßnahmen kurzfristig und mittelfristig
a. im Lernen
b. im seelisch-sozialen Bereich
Was brauchen die Schule für diese Aufgaben?
1. Planungssicherheit im Hinblick auf Personal und Ausstattung der Schule
Im Vordergrund steht vor allem die stabile Versorgung der Schulen mit Personal. Vor allem die Grundschulklassen brauchen so wenig Lehrerwechsel wie möglich. Zur Unterstützung der Lehrkräfte ist langfristig im Grundschulbereich eine Doppelbesetzung anzustreben, damit im Vertretungsfall den Kindern eine vertraute Person zur Verfügung steht. Außerdem ist es besonders dringlich, die Schulen mit nicht-pädagogischem Personal zu entlasten. Die Sekretariate an allen Schularten sind chronisch unterbesetzt und telefonisch nur schlecht zu erreichen. Das erschwert sowohl die Kommunikation mit den Eltern als auch die Kooperation mit anderen Einrichtungen und Anbietern wie Vereinen etc. Außerdem sollte dieses Personal langfristig endlich fachlich ausgebildet sein in Schulverwaltung und auch entsprechend vergütet werden.
Technischer Support vor allem bei der digitalen Ausstattung würde ebenfalls die Konzentration auf die pädagogischen Aufgaben der Lehrkräfte deutlich erhöhen. Es kann nicht angehen, dass die Lehrkräfte viel Zeit darauf verwenden müssen, die Technik ständig selbst zu warten oder sich dazu ständig auf den neuesten Stand bringen zu müssen.
Alle Wartungsarbeiten, Instandhaltungen etc. sollten grundsätzlich von einem fachlich ausreichend ausgebildeten technischem Personal ohne Hilfen von Lehrkräften und Schulleitungen oder sogar Eltern durchgeführt werden. Auch die Fahrdienste sollten so gestaltet werden, dass sie nicht eine weitere unbezahlte „Führungsaufgabe“ der Schulleitungen darstellen, sondern stattdessen ein fester Bestandteil von Schulen sind. Das betrifft sowohl ihre Organisation als auch die Anleitung der Fahrerinnen und Fahrer, die grundsätzlich auch Bescheid wissen sollen über das, was für die Kinder und die Lehrkräfte geplant und notwendig ist. Diese Investitionen könnten für die Schulen eine große Entlastung bedeuten und Kräfte freimachen.
2. Größtmögliche Gestaltungsfreiheit
Schulen in den unterschiedlichen Standorten und Regionen und auch für die unterschiedlichen Altersgruppen brauchen den pädagogischen Freiraum, mit den jungen Menschen, den Eltern und auch anderen Anbietern von pädagogischen Angeboten vom Sport bis zu den Kirchen ein Konzept zu erarbeiten, mit dem gemeinsamen Ziel der Erhöhung der Lebensfreude.
3. Klare Hinweise zum veränderten Auftrag
Von Seiten der Schulaufsicht sollte der klare Hinweis dazu erfolgen, dass die psychische und körperliche Gesundheit Vorrang hat vor allen anderen Aufträgen. Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit und Zielstrebigkeit im Lernen sind die Folge von Lernfreude, nicht umgekehrt. Die Freude am Können ist deutlich effektiver als Beurteilung. Diese Erkenntnis sollten wir nicht wieder aus den Augen verlieren. Außerdem ist Lehrkräftebildung notwendig, um die sozialen Interkationen zu professionalisieren. Werte- und Demokratiebildung stehen mit der emotionalen und sozialen Reife der jungen Menschen in direktem Zusammenhang. Prävention von Gewalt, Mobbing und Hate Speech kommen zu Suchtprävention hinzu.
4. Anregungen für organisatorische, inhaltliche und personelle Lösungen
Den Schulen sollten möglichst viele Anregungen und Ideen zum Beispiel in Form einer digitalen Börse zur Verfügung stehen und sie sollten auch angeregt werden, ihre Ideen mitzuteilen und auszutauschen. Dadurch können sie sich ausprobieren und in einen Dialog kommen über effektives emotionales und soziales Lernen, der Grundlage für weitere Lernleistungen. Je mehr die jungen Menschen erleben, dass sie für ihr Lernen Verantwortung in der Gemeinschaft übernehmen können und sollen, desto effektiver werden sie ein positives Selbstbild entwickeln.

 

Wie kann es weitergehen – was entwickeln wir aus der Krise?
Das Schuljahr 21/22 ist der Start einer mehrjährigen Bildungsoffensive, die multiprofessionell besetzt ist und mehrere Ebenen bedient:
1. Emotionale-soziale Förderung steht in allen Schularten im Mittelpunkt
2. Besonders fragile Phasen haben planerischen Vorrang:

- die Primarstufe
- die Übergänge (Kita, Grundschule, Übertritte)
- die Phase der Ablösung vom Elternhaus (ca. 13 – 16 Jahre)
Diese Phasen können durch FleGsklassen und Angebote die Kinder entlasten und zugleich fördern. Für die Jugendlichen sind vor allem wieder vermehrt Angebote der
Jugendhilfe oder auch für die Freizeitgestaltung dringend notwendig. (Für nicht aus
Bayern kommende Leserinnen und Leser: FleGsklasse bedeutet, dass Kinder ein Jahr
länger in der Primarstufe verbleiben können. Sie bleiben dann drei Jahre lang in der
ersten und zweiten Klasse.)
3. Fachliche Förderung (Lernstandsdefizite) Natürlich ist eine Förderung im Lernen nicht
obsolet, sondern im Gegenteil ausgesprochen wichtig. Allerdings sollten weniger die
Defizite im Zentrum stehen, sondern die Potentiale der Kinder, denen dann die
Förderung angepasst wird.
So sind beispielsweise Kinder aus einem sozial herausgeforderten Stadtteil in
unterschiedlichen Bereichen besonders selbständig. Andere benötigen vielleicht eher
Ermutigung, sich von Erwartungen zu lösen und mehr zu den eigenen Vorstellungen
vom Leben zu finden.
4. Innovative Schulorganisation
Digitalisierung bedeutet auf jeden Fall für alle Schularten zusätzliche Lehr- und
Lernmöglichkeiten, aber birgt jedoch auch Gefahren und Gefährdungen. Deshalb ist hier ein besonders sensibles und fachlich sicheres pädagogisches Wissen notwendig. In der Pandemie wurde deutlich, dass es neue Lernfelder gibt, für die sich die Schulen erst noch öffnen und pädagogisch und didaktisch ausstatten müssen. Hierzu zählen beispielsweise theoretische und praktische Angebote für eine gesunde Lebensweise. Angebote für den emotionalen und sozialen Bereich und Grundwissen über Psychologie, Prävention und Vorsorge sollten in Zukunft ebenfalls im Zentrum von Schulentwicklung stehen. Die Schulberatung kann gerade hier auch neue Aufgabenfelder für sich finden, die sie für die sozialen und psychischen Erfordernisse einer Schule stärker einbindet.
5. Kooperationen mit außerschulischen Anbietern
In einer Gemeinde oder einer Region treffen sich alle Anbieter für die emotionale und soziale Förderung ihrer jungen Menschen zur gemeinsamen Planung und den Austausch von Ideen. Alle sollten sich dabei in der Verantwortung sehen für eine gelingende und lebensbejahende Zukunft. Insbesonders die Jugendhilfe, aber auch die übrigen Anbieter wie Musikschulen, Sportvereine etc. sind gefordert, die jungen Menschen in ihrer psychischen Gesundheit und in ihrer sozialen Entwicklung zu begleiten und die Ziele der Schule mitzutragen. Hierzu gilt es auch, den Datenschutz im Sinne der Kinderrechte auf
Förderung zu interpretieren.
6. Ausbau von Schulberatung, Jugendsozialarbeit an Schulen und der Mobilen
Sonderpädagogischen Dienste.
Auch die Einzelfallhilfen brauchen in vielen Fällen in der nächsten Zeit personelle Aufstockung. Nach der Pandemie wird es noch eine ganze Weile dauern, bis vor allem die hoch gefährdeten oder behinderten jungen Menschen wieder eigenständiger werden. Deren Situation hat sich deutlich verschlechtert und sie verfügen über weniger Resilienz, durch die Überwindung der Krise zu profitieren.
7. Information und ggf. Einbeziehung der Familien über diesen Bildungsauftrag

 

Gedanken zum Schluss:
Ermutigung und Unterstützung - Energie, Initiative und Zuversicht entstehen durch Anerkennung der Leistung während der Pandemie und der Freiheit zur Aufarbeitung der gemachten Erfahrungen. Die Klasse in ihrer Schule bildet eine Schicksalsgemeinschaft, in der gemeinsam die Erfahrungsbewältigung der Pandemie eine zentrale Aufgabe im kommenden Schuljahr ist. Solidarität und Selbstverwirklichung stehen nicht im Widerspruch, sondern bedingen sich gegenseitig. Darüber hinaus soll die Schule langfristig die seelische und soziale Stärkung grundsätzlichstärker als bedeutende Bildungsaufgabe verstehen. Insgesamt sollte das Motto lauten, es den Schulen so leicht wie möglich zu machen, die Kinder psychisch und sozial zu unterstützen und dadurch Bildungsnachteile zu überwinden. Die Schulen brauchen dazu Support in jeder Hinsicht, im Personal, in der sächlichen Ausstattung und auch in der Anbindung an die Region. Für die zusätzlichenKooperationsaufgaben brauchen sie außerdem Zeitressourcen.

Dr. phil. Edith Wölfl

Sonderschulrektorin i.R.

Autorin, Referentin

Da ich Probleme mit der Formatierung hatte, hier noch einmal die Originalfassung: Schule nach der Pandemie